Was ist ED?

Erkrankungen des Ellbogengelenks (Abb.1) werden in den letzten Jahren immer häufiger als Lahmheitsursache im Bereich der Vordergliedmaße bei Hunden besonders mittelgroßer und großwüchsiger Rassen diagnostiziert.

Allen voran stehen die unter dem Oberbegriff „Ellbogengelenksdysplasie - ED“ zusammengefassten Veränderungen, zu denen im engeren Sinne der isolierte Processus anconaeus (IPA), der fragmentierte Processus coronoideus medialis der Elle (FPC), die Osteochondrosis dissecans der inneren Gelenkwalze des Oberarms (OCD), Stufenbildung zwischen Speiche (Radius) und Elle (Ulna) sowie Fehlbildungen der Gelenkflächen (Inkongruenzen) zählen. Die beiden letztgenannten können entweder allein oder auch zusammen mit einem IPA, FPC oder einer OCD vorliegen. Auch das gemeinsame Vorliegen eines FPC mit einer OCD oder mit einem IPA in einem Gelenk wird beobachtet. Im weiteren Sinne kann eine umschriebene Verkalkung (Metaplasie) in den am inneren Bandhöcker der Gelenkrolle des Oberarms ansetzenden Beugesehnen und eine unvollständige Verknöcherung (inkomplette Ossifikation) der Gelenkwalze des Oberarms (IOCH) zur ED gerechnet werden.

Als Folge der Veränderungen entstehen Arthrosen (bleibende Gelenksveränderungen) mit Schmerzen und unterschiedlich stark ausgeprägte chronische Lahmheiten.

All diesen Erkrankungen ist gemein, dass sie während des Wachstums entstehen, und neben Fütterungs- und Bewegungseinflüssen bei bestimmten Rassen eine genetische Disposition zugrunde liegt. Um die genetischen Einflüsse der Ellbogengelenkserkrankungen zu bearbeiten und die Zusammenarbeit und Forschung weltweit zu koordinieren, wurde im April 1989 die „International Elbow Working Group“ (IEWG) in Davis/Kalifornien gegründet.

Entwicklung und Anatomie des Ellbogengelenks 


Abbildung 2: Anatomie des Ellbogengelenks: 1-Gelenkwalze des Oberarms, 2-Speiche (Radius), 3-zapfenförmiger Fortsatz der Ulna (Processus anconaeus), 4-Kronenfortsatz (Processus coronoideus), 5-Elle (Ulna)

Wie bei allen Knochen der Gliedmaßen, entwickelt sich das Ellbogengelenk aus mehreren knorpeligen Vorstufen oder Kernen, die sich im Laufe des Wachstums zu Knochen umbilden, miteinander verwachsen und so den endgültigen Knochen bilden. Das Wachstum des Knochens findet besonders in den knorpeligen Wachstumsfugen, den Epiphysenfugen statt und im Bereich der Übergänge von Knochen zu Knorpel. An den Gelenkflächen ist der Knochen mit Knorpel bedeckt. Das Gelenk wird von einer Gelenkkapsel umschlossen, welche die für den reibungslosen Bewegungsablauf erforderliche Gelenkflüssigkeit (Synovia) bildet.

Das Ellbogengelenk wird von insgesamt drei verschiedenen Knochenteilen (Abb.2) gebildet und funktioniert als sogenanntes Scharniergelenk. Die obere Gelenkfläche wird von der Gelenkwalze des Oberarmknochens gebildet und die gegenüberliegende von der Elle (Ulna) und der Speiche (Radius).

Der obere Anteil der Ulna formt den hinteren Teil des Gelenks und besitzt eine halbmondförmige Aussparung, die die Gelenkwalze des Oberarms aufnimmt. Im oberen Bereich dieser Gelenkfläche befindet sich der Processus anconaeus als zapfenförmiger Fortsatz der Ulna, der bei Streckung des Gelenks in eine Aussparung über der Oberarmgelenkwalze hineinragt und das Gelenk dabei stabilisiert (Abb2).

Im unteren Bereich der Gelenkfläche der Ulna befinden sich die beiden Kronenfortsätze, die den Radiuskopf umgreifen und auf einer Höhe mit der Radiusgelenkfläche abschließen (Abb.2, 3). Der außen gelegene kleinere Kronenfortsatz wird als Processus coronoideus lateralis bezeichnet und der innen liegende, größere Kronenfortsatz als Processus coronoideus medialis (Abb.3). Der Hauptteil des Körpergewichts (ca. 80%) wird vom Oberarm auf den Radius übertragen und die Ulna übernimmt die restlichen 20% des Körpergewichtsanteils, wobei der Processus coronoideus medialis den größten Anteil hat.

Abbildung 3: Aufsicht auf die Gelenkfläche des Ellbogengelenks mit Speiche (Radius) und Elle (Ulna) mit den beiden Kronenfortsätzen: (1) äußerer Kronenfortsatz - Processus coronoideus lateralis und (2) innerer Kronenfortsatz – Processus coronoideus medialis

Entstehung der ED

Der IPA, der FPC und die OCD treten bei Hunden im Alter von vier bis fünf Monaten während des stärksten Wachstumsschubes auf. Männliche Hunde sind häufiger betroffen, da sie in der Regel schneller wachsen als weibliche Tiere.

Die Erkrankungen werden dem Komplex der Osteochondrose zugerechnet. Als auslösender Mechanismus für die Entstehung der Osteochondrose wird eine Reifungsstörung des Knochens (Störung der enchondralen Ossifikation) verantwortlich gemacht, wobei sowohl der Knorpel der Wachstumsfugen (beim IPA) als auch der Gelenkknorpel (beim FPC und der OCD) betroffen sein kann. Die gelenkbildenden Knochen wachsen ungleichmäßig und es kann zur Überlastung besonders exponierter Bereiche im Gelenk kommen, mit der Folge einer Schädigung oder Ablösung von Knorpel- oder Knochenteilen.

Für den Processus anconaeus existiert bei großwüchsigen Hunden ein eigener Verknöcherungskern, der sich zwischen der 10. bis 14. Lebenswoche entwickelt. Die Fusion mit der Ulna erfolgt in Abhängigkeit von der Rasse zwischen der 13. und 20. Lebenswoche. Bei kleinen Hunden verläuft die Verknöcherung dagegen in der Regel von der Basis zur Spitze des Processus anconaeus. Liegt eine Störung der Verknöcherung dieser Wachstumsfuge vor, kann der Verknöcherungskern des Processus anconaeus nicht mit der Ulna verwachsen und die Fuge kann durch andauernde Belastung zerstört werden. So kommt es zur Loslösung des Processus anconaeus mit daraus resultierenden freien Gelenkkörper (Corpus librum) und Arthrosebildung.

Für den Processus coronoideus medialis der Ulna hingegen wurde bisher noch kein eigener Verknöcherungskern nachgewiesen, sondern es wird angenommen, daß die Verknöcherung von der Basis zur Spitze hin stattfindet, die mit der 20. bis 22. Woche abschließt. In dieser Zeit ist der mediale Kronenfortsatz besonders empfindlich gegenüber einer Überbelastung. Zur Überlastung kann es auch in Folge einer Stufenbildung im Gelenk kommen, nämlich dann, wenn die Ulna etwas länger ist als der Radius. Dadurch sind die Gelenkflächen dieser beiden Knochen nicht mehr auf einem Niveau und auf dem Processus coronoideus medialis der Ulna lastet vermehrt Gewicht, so dass er abbrechen kann. Gleiches kann auch passieren, wenn die Aussparung der Ulna, die die Oberarmgelenkwalze aufnimmt zu klein oder zu eng ausgebildet ist. Dadurch wird die Gelenkwalze nach vorne verlagert und es kann ebenfalls zu einer Überbelastung im Bereich des Processus coronoideus medialis der Ulna, aber auch des Processus anconaeus kommen.

Bei der OCD liegt eine lokale Spaltbildung bzw. Abtrennung des Gelenkknorpels vom darunterliegenden Knochen infolge einer gestörten Zelldifferenzierung im Gelenkknorpel vor. Betroffen ist immer der mediale (innere) Abschnitt der Oberarmgelenkwalze. Durch mechanische Beanspruchung entstehen Risse am Übergang zum gesunden Knorpel und es kann zur teilweisen oder vollständigen Ablösung der Knorpelschuppe kommen. Als Folge einer vollständigen Ablösung entsteht ein freier Gelenkkörper.

Fragmentierter Processus coronoideus medialis der Ulna (FPC) und Osteochondrosis dissecans der Trochlea humeri (OCD)

Vorkommen

Der FPC ist eine häufige Erkrankung des Ellbogengelenks mittelgroßer und großwüchsiger Hunderassen, aber auch kleinwüchsige Hunde können erkranken. Besonders oft sind Rottweiler, Retriever, Berner Sennenhunde, Deutsche Schäferhunde und Neufundländer betroffen. Aber auch andere mittelgroße und große Rassen und Mischlinge können erkranken. Gleichzeitig mit einem FPC kann eine OCD in einem Gelenk vorliegen, wobei hierfür Labrador und Golden Retriever, Berner Sennenhunde, Deutsche Schäferhunde und Neufundländer disponiert sind. Das alleinige Vorliegen einer OCD im Ellbogengelenk wird seltener beobachtet. Betroffen sind hier besonders Golden und Labrador Retriever. In der Mehrzahl der Fälle sind sowohl beim FPC als auch bei der OCD beide Ellbogengelenke betroffen.

Symptome und Diagnostik

Der Erkrankungsbeginn liegt für den FPC und die OCD im vierten bis fünften Lebensmonat. Erste Lahmheitssymptome können mit etwa vier bis sieben Monaten beobachtet werden. Am häufigsten beginnt die Lahmheit jedoch zwischen dem siebten und zwölften Lebensmonat. In manchen Fällen können die Symptome jedoch auch erst später auftreten. Bei alleiniger oder zusätzlicher OCD beginnt die Lahmheit meist etwas früher und tritt deutlicher in Erscheinung. Der FPC und die OCD verursachen ähnliche Beschwerden.

Es tritt eine ein- oder beidseitige gemischte Lahmheit unterschiedlicher Schwere auf, die oft nach Ruhe oder Belastung deutlicher sichtbar ist. In manchen Fällen ist nur eine Steifheit nach dem Liegen vorhanden oder die Lahmheit ist intermittierend (immer wiederkehrend). Insbesondere bei beidseitiger Erkrankung ist für den Besitzer das Erkennen von Beschwerden schwierig. Im Stand wird zur Entlastung des innen liegenden Gelenkabschnittes das Ellbogengelenk an den Körper herangezogen und die Vorderpfote nach außen gedreht. In der Vorführphase wird der Unterarm in Auswärtsstellung vorgeführt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung als Folge der Lahmheit bildet sich die Muskulatur des Oberarms zurück (Muskelatrophie). Häufig ist eine vermehrte Gelenksfüllung vorhanden, und die passive Beugung und Streckung des Gelenks sowie Druck auf den inneren Gelenkabschnitt ist schmerzhaft. Bei längerer Erkrankungsdauer entwickeln sich sekundäre Arthrosen, wodurch das Gelenk verdickt und die Beweglichkeit eingeschränkt ist. Bei Bewegung des Gelenks können Reibegeräusche hörbar sein.

Röntgen

Zur Eingrenzung der klinischen Verdachtsdiagnose muß eine Röntgenuntersuchung des betroffenen Ellbogengelenks durchgeführt werden, wobei grundsätzlich beide Ellbogengelenke vergleichend in mindestens zwei Ebenen geröntgt werden sollten. Die Röntgendiagnostik des FPC ist jedoch oft sehr schwierig, da der Processus coronoideus medialis der Ulna von anderen Knochenstrukturen überlagert wird (Abb.4).

Die direkte Diagnose ist nur dann zu stellen, wenn der FPC deutlich verlagert ist. Ansonsten basiert die Verdachtsdiagnose eines FPC auf dem Vorliegen von anderen röntgenologischen Veränderungen, wie beispielsweise Stufenbildung, sekundäre Verdichtungen in der Knochenstruktur oder den im weiteren Verlauf der Erkrankung entstehenden Arthrosen. Diese sind etwa ab einem Alter von sieben bis neun Monaten röntgenologisch zunächst nur dezent zu erkennen und treten ab dem 12. Lebensmonat an verschiedenen Lokalisationen im Gelenk meistens deutlicher in Erscheinung (Abb.5).

Allerdings sind die Arthrosen nicht für einen FPC oder eine OCD spezifisch, so dass die Verdachtsdiagnose durch weitere Untersuchungsverfahren, wie das Anfertigen von Schichtaufnahmen mit Hilfe der Computertomographie, der als Schlüssellochtechnik bekannten Arthroskopie (Abb.7) oder einer operative Darstellung bestätigt werden muß.

Therapie

Zur Therapie des FPC und der OCD wird in den meisten Fällen die möglichst frühzeitige operative Entfernung empfohlen. Beim Vorliegen einer Stufenbildung zwischen Radius und Ulna kann zusätzlich eine operative Durchtrennung der Ulna entlastend wirken. Im weiterenVerlauf der Erkrankung kommt es jedoch trotz des chirurgischen Eingriffs zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Fortschreiten  der Arthrose.

Die Prognose nach operativer Behandlung hinsichtlich der Lahmheit ist abhängig vom Zeitpunkt des Eingriffs und den bereits bestehenden Arthrosen und variieren zwischen 30 – 70 % lahmheitsfreier Fälle. Als günstig wird die Prognose betrachtet, wenn die Operation frühzeitig erfolgt, also noch keine oder nur minimale Arthrosen vorliegen. Liegen dagegen bereits deutliche Arthrosen vor, verschlechtert sich die Prognose zunehmend. Jedoch kann es bei Vorliegen einer starken Lahmheit durch einen operativen Eingriff mit Entfernung des FPC und/oder der OCD auch bei schweren Arthrosen zumindest zu einer Verbesserung der Symptome kommen.

Da die frühzeitige Diagnose des FPC röntgenologisch schwierig zu stellen ist, befürworten einige Autoren bei disponierten Rassen mit entsprechender Lahmheit und Schmerzhaftigkeit im Ellbogengelenk, auch ohne oder mit nur dezenten Röntgenbildveränderungen eine diagnostische Gelenkeröffnung bzw. Arthroskopie vorzunehmen. Der Vorteil der Arthroskopie für die Diagnostik ist sicherlich der minimalinvasive Charakter dieses Verfahrens. Gleichzeitig ist bei Bestätigung der Verdachtsdiagnose auch die arthroskopische Entfernung des FPC und der OCD möglich.

Isolierter Processus anconaeus (IPA)

Vorkommen

Auch vom IPA sind schnellwachsende, schwere Hunde mittelgroßer und großwüchsiger Rassen besonders betroffen, wobei der Deutsche Schäferhund in der Häufigkeit herausragt. Aber auch andere Hunderassen, wie beispielsweise Amerikanische oder Belgische Schäferhunde, Weimaraner, Mastiff, Bassett, Bernhardiner, Mastino und Deutsche Dogge sowie Mischlinge aus den betroffenen Rassen können darunter leiden. Die Erkrankung kann sowohl ein- als auch beidseitig vorkommen.

Symptome und Diagnostik

Das Krankheitsgeschehen beginnt mit dem Ausbleiben der Fusion des Processus anconaeus mit der Ulna zwischen dem vierten und fünften Lebensmonat. Das Auftreten der ersten Symptome ist jedoch unterschiedlich, und bei vielen Hunden wird die Diagnose erst viel später gestellt.

Die betroffenen Hunde zeigen eine ein- oder beidseitige, zeitweise oder ständige Lahmheit unterschiedlicher Deutlichkeit. Bei einseitiger Erkrankung bemerkt der Besitzer die anfangs meist nur leichte Lahmheit jedoch oft frühzeitiger als bei beidseitigem IPA. Gelegentlich wird als Ursache der Lahmheit ein leichtes Trauma beobachtet.

Im Stand wird die erkrankte Gliedmaße im Ellbogengelenk meist vom Körper weg gehalten. In einigen Fällen kann auch eine gewisse X-Bein Stellung des Vorderfußes vorliegen. Beim Betasten ist das Gelenk vermehrt gefüllt und schmerzhaft, insbesondere wenn man von oben auf die Gelenkkapsel drückt. In chronischen Fällen ist das Gelenk durch die Arthrosen knöchern verdickt und es kann bei Bewegung ein sogenanntes „Schneeballknirschen“ verspürt oder gehört werden. Zusätzlich ist der Bewegungsradius eingeschränkt und es kann eine Streckhemmung des Ellbogengelenks vorliegen.

Röntgen

Auch beim Vorliegen eines IPA kann klinisch nur eine Verdachtsdiagnose erhoben werden, die anhand einer Röntgenuntersuchung abgesichert werden muß. Dafür sind grundsätzlich Aufnahmen in zwei senkrecht zueinander stehenden Ebenen anzufertigen. Besonders bei jungen Hunden empfiehlt es sich, das Ellbogengelenk in seitlichem Strahlengang extrem zu beugen, da hier noch Wachstumsfugen an anderen Gelenkbereichen vorliegen, die zur Verwechslung führen können. Bei über acht Monate alten Hunden ist der Grad der Gliedmaßenbeugung für die Diagnose nicht mehr entscheidend, da durch das Fehlen der Wachstumsfugen die Röntgenbildinterpretation auch bei Überlagerung des Processus anconaeus durch andere Knochenstrukturen möglich ist. Auch bei dieser Erkrankung sind immer beide Ellbogengelenke zu röntgen, da die Erkrankung trotz einseitiger Lahmheit beidseitig vorliegen kann.

Im Anfangsstadium ist nur eine lineare Aufhellungszone (dunkle „Linie“) zwischen dem Processus anconaeus und der Ulna durch das Ausbleiben der knöchernen Verbindung zu sehen (Abb. 8). Ein Verbleiben der Zone über ein Lebensalter von viereinhalb bzw. fünf Monate hinaus ist als krankhaft anzusehen. Bei längerem Bestehen des IPA kommt es zur Bildung einer Arthrose (Abb. 9). Gleichzeitig mit der Entstehung der Arthrose kann sich der Processus anconaeus loslösen und umgestalten.

Therapie

Zur Behandlung des IPA können konservative und chirurgische Maßnahmen angewendet werden. Das konservative Vorgehen beschränkt sich allerdings nur auf Junghunde im Alter zwischen drei und vier Monaten. Durch Käfigruhe muß es spätestens nach zwei bis vier Wochen zu einer Vereinigung des Processus anconaeus mit der Ulna gekommen sein. Bleibt diese Verwachsung aus, ist eine operative Therapie angezeigt.

Die operativen Behandlungsmethoden des IPA erstrecken sich zum einen auf die Entfernung des losgelösten Knochenstücks und zum anderen auf die operative Befestigung des Processus anconaeus an die Ulna.

Die allgemein empfohlene Therapie ist die Entfernung des isolierten Processus anconaeus mit dem Ziel, die von dem isolierten Knochenstück ausgehende Irritation auszuschalten (Abb.10). Dadurch kommt es in der Mehrzahl der Fälle zunächst zu einer Verbesserung der Beschwerden. Die Langzeitresultate sind jedoch unbefriedigend, da bei vielen Patienten erneut eine Lahmheit auftritt. Außerdem entwickeln viele operierte Gelenke eine fortschreitende Arthrose. Eine Ursache dafür ist die sich aufgrund des Fehlens des Processus anconaeus ergebende Gelenkinstabilität, denn der Processus anconaeus stabilisiert das Ellbogengelenk während der Streckung.

Aufgrund der überwiegend schlechten Langzeitergebnisse nach Entfernung des isolierten Knochenstücks ist es somit sinnvoll, den Processus anconaeus zu erhalten. Eine Verschraubung wurde bereits in den achtziger Jahren versucht, sie war jedoch nicht immer erfolgreich. Erst später hat sich herausgestellt, dass neben der Verschraubung des Knochenfortsatzes eine Durchtrennung der Ulna erforderlich ist, um eine Verwachsung des Processus anconaeus zu erzielen (Abb.11).

In bestimmten Fällen reicht auch eine alleinige Durchtrennung der Ulna aus. Die Erhaltung des Processus anconaeus bringt jedoch nur bei frühzeitiger Behandlung gute Ergebnisse. Liegen bereits deutliche Arthrosen vor, ist die Durchführung dieser Therapie nicht sinnvoll und das Knochenstück sollte besser entfernt werden.

Unvollständige Verknöcherung der Wachstumsfuge der Oberarmgelenkwalze - Inkomplette Ossifikation des Condylus humeri (IOCH)

Entstehung

Die Entstehung dieser Erkrankung ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt aber Hinweise dafür, dass es sich, wie beim IPA, um eine Störung der Knochenreifung im Bereich der Wachstumsfuge der Gelenkwalze des Oberarmknochens unklarer Ursache handelt. Dieses wird dadurch unterstützt, dass sich die röntgenologisch sichtbare Aufhellungslinie genau an der Stelle befindet, an der beim wachsenden Hund die Wachstumsfuge zwischen dem inneren und äußeren Anteil der Gelenkwalze befindet. Als begünstigend werden Fehlbildungen im Ellbogengelenk durch unterschiedliches Wachstum von Radius und Ulna angesehen, wodurch die ungleiche Kräfteverteilung auf den inneren und äußeren Anteil der Gelenkwalze ein Verwachsen der Fuge verhindert. Für den männlichen Cocker-Spaniel wird ein polygener rezessiver Erbgang vermutet.

Vorkommen

Eine IOCH wird in der Literatur vorwiegend bei verschiedenen Spanielrassen gesehen. Aber auch anderen Rassen wie Bayerischer Gebirgsschweißhund, Deutsche Wachtel, Deutscher Schäferhund, Rottweiler oder  Labrador Retriever können betroffen sein. Beim Spaniel tritt die IOCH häufig beidseitig auf. Bei den anderen Hunderassen ist sowohl ein einseitiges als auch ein beidseitiges Vorkommen beschrieben. Hinsichtlich der Geschlechtsverteilung scheinen männliche Tiere häufiger zu erkranken als weibliche. Im Vergleich zu den anderen zur ED gehörenden Erkrankungen, kommt die IOCH seltener vor.

Symptome und Diagnostik

Die IOCH entsteht in der Wachstumsphase. Der Wachstumsfugenschluß des äußeren an den inneren Teil der Gelenkwalze des Oberamknochens erfolgt normalerweise zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat. Beschwerden werden jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten danach beobachtet. Durch die verbleibende Wachstumsfuge resultiert eine Schwächung der Oberarmgelenkwalze und eine vermehrte Beweglichkeit der beiden Anteile während starker Belastung. Der Gelenkknorpel entlang der verbliebenen Fuge reist durch die vermehrte Beweglichkeit ein und durch Eindringen von Gelenkflüssigkeit in den Spalt kann eine Schmerzhaftigkeit mit Lahmheit resultieren. Meist ist die bestehende Lahmheit nur leicht bis mittelgradig und sie kann intermittierend vorliegen. Eine Schmerzreaktion ist besonders bei Überbeugung und Überstreckung des Ellbogengelenks auslösbar.

Bedingt durch die Schwächung der Gelenkwalze kann es in Folge eines Bagatelltraumas (z.B. Springen über einen Graben), leicht zu einem Bruch der Oberarmgelenkwalze kommen.

Röntgen

Die röntgenologische Diagnose der IOCH ist manchmal schwierig und ist nur auf einer exakt gelagerte Aufnahme von vorne zu stellen, da die Röntgenstrahlen genau parallel auf die verbliebene Fuge treffen müssen (Abb.12).

Die Aufnahme in Seitenlagerung ist für die Diagnose der Erkrankung selbst nicht unbedingt erforderlich, dient aber der Erkennung von Begleitveränderungen, wie beispielsweise der Darstellung von Arthrosen. Zusätzlich zur IOCH kann ein FPC oder eine OCD (Abb.12) im Gelenk vorliegen.

Andere Untersuchungsverfahren

Am sichersten kann die Erkrankung mit Hilfe der Computertomographie diagnostiziert werden (Abb.13). Im Schnittbild durch die Gelenkwalze des Oberarmknochens ist die IOCH als eine deutliche dunkle Linie mit angrenzender Verdichtung des Knochens repräsentiert. Gleichzeitig läßt sich mit der Computertomographie ein eventuell vorliegender FPC diagnostizieren. Da diese Untersuchung jedoch aufwendiger ist als das Röntgen und eine Narkose erfordert, ist dieses Verfahren für die Diagnose nur Mittel der zweiten Wahl. Auch arthroskopisch ist die IOCH zu erkennen und zeigt sich als Kontinuitätsunterbrechung im Gelenkknorpel (Abb.14). Diese Technik kommt aber nur dann zum Einsatz, wenn die Erkrankung bereits diagnostiziert wurde und chirurgisch versorgt werden soll.

Therapie

Die Behandlung mit anti-entzündlichen Medikamenten ist dauerhaft nicht erfolgreich. Daher wird bei entsprechender Symptomatik ein operativer Eingriff mit Verschraubung der beiden Knochenanteile der Gelenkwalze (Abb.15) mit guten Ergebnissen vorgenommen. Dadurch ist in den meisten Fällen eine Verwachsung des Knochens zu erreichen. Bei stark beanspruchten Hunden wird sogar ohne Vorliegen einer Lahmheit die Versorgung mit einer Schraube empfohlen, um einem Bruch der Gelenkwalze vorzubeugen.

Umschriebene Verkalkung (Metaplasie) in den am inneren Bandhöcker der Gelenkrolle des Oberarms ansetzenden Beugesehnen

Entstehung

Die Entstehung der Metaplasie ist noch weitgehend ungeklärt. Neben einer fehlenden Verschmelzung des Verknöcherungskerns des inneren Bandhöckers der Gelenkrole des Oberarmknochens wird eine unfallbedingte Absprengung desselben als Ursache vermutet. Auch die Entstehung aus einem vorgebildeten Verknöcherungszentrum, vergleichbar mit einem Sesambein oder eine Umbildung von Bindegewebe in den Beugesehnen zu Knochen wird diskutiert. Als weitere Entstehungsmöglichkeit der Metaplasie wird eine sekundäre stoffwechselbedingte Verkalkung durch eine assoziierte chronische Arthrose diskutiert.

Vorkommen

Eine Metaplasie am Ellbogengelenk wird bei mittelgroßen und großen Hunderassen, wie beispielsweise Labrador Retriever, Englischer Setter, Neufundländer, Rottweiler, Airedale Terrier, Basenji, Border Collie oder Deutscher Schäferhund beobachtet. Sie kann ein- oder beidseitig auftreten und befindet sich in den am inneren Bandhöcker ansetzenden Beugesehnen der verschiedenen Beugemuskeln des Unterarms. Die Metaplasie kann sich auch in der Gelenkkapsel befinden oder mit ihr in Verbindung stehen und somit in direktem Kontakt zum Binnenraum des  Ellbogengelenks stehen. Die Erkrankung tritt überwiegend bei weiblichen Hunden auf, aber auch Rüden können betroffen sein. Im Vergleich zu den anderen zur ED gehörenden Erkrankungen, kommt die Metaplasie seltener vor.

Symptome und Diagnostik

Die Metaplasie wird sowohl bei Junghunden unter einem Jahr, als auch bei älteren Hunden beobachtet. Klinisch wird eine steife, staksige Bewegung der betroffenen Vordergliedmaße beobachtet bei nur leichter bis mittelgradiger Lahmheit. Die Lahmheit kann intermittierend auftreten und ist im Trab am deutlichsten zu sehen bzw. kann dann erst erkennbar sein. Im weiteren Verlauf kann sich die Lahmheit verstärken und dann ständig vorliegen. In manchen Fällen ist ein Muskelschwund im Bereich der Schulter zu erkennen. Das Gelenk selbst weist oft keine Schwellung auf, jedoch ist die passive Beugung und Streckung des Ellbogengelenks und Druck auf den inneren Gelenkabschnitt schmerzhaft. In einigen Fällen ist die knöcherne Zubildung am inneren Ellbogengelenksbereich direkt fühlbar und kann verschieblich sein. Liegen arthrotische Veränderungen vor, ist das Gelenk deutlich verdickt und eingeschränkt beweglich.

Röntgen

Die Diagnose der Metaplasie erfolgt anhand einer Röntgenuntersuchung des Ellbogengelenks in zwei Ebenen. Am besten sind die umschriebenen Verkalkungen auf einer von vorne angefertigten Röntgenaufnahme darzustellen (Abb.16). In Abhängigkeit von der Lage können sie aber auch im seitlichen Strahlengang erkennbar sein (Abb.17). Die Metaplasien haben eine ovoide bis spindelförmige Gestalt und variieren in ihrer Größe. Zusätzlich zu der Metaplasie können gleichzeitig Arthrosen unterschiedlichen Ausmaßes vorliegen.

Therapie

Als Therapie der Metaplasie wird überwiegend die chirurgische Entfernung mit recht guten Ergebnissen empfohlen. Bereits bestehende degenerative Veränderungen im Ellbogengelenk können jedoch eine vollständige Genesung verhindern.

Prophylaxe der Ellbogengelenksdysplasie

Ähnlich wie bei der Hüftgelenksdysplasie, sind für die Ellbogengelenksdysplasie bei einigen Rassen genetische Dispositionen nachgewiesen. Das Auftreten der Erkrankung wird außerdem durch Haltung, Bewegung und Fütterung beeinflusst. So begünstigt beispielsweise zu frühe Beanspruchung des wachsenden Hundes (extensive Bewegung wie bspw. durch lange Fahrradtouren, zu starkes Herumtollen u.a.) die Manifestation der Erkrankung. Auch zu reichhaltige Ernährung während des Wachstums (zu hohe Gesamtenergiemenge, Zufütterung von Mineralstoffen u.a.) fördert das Wachstum des Hundes und erhöht damit insbesondere im Alter zwischen drei und sieben Monaten das Risiko der Erkrankungsentstehung. Daher sollte bei disponierten Hunderassen eine „kontrollierte“ und angepasste Fütterung erfolgen und extensive Bewegung in dieser Phase vermieden werden.

 

Prof. Dr. Andrea Meyer-Lindenberg